Vor wenigen Jahrzehnten waren Körbe aus Weiden ein wichtiger Gegenstand in der Landwirtschaft. Im Frauenkloster am Nonnberg in Salzburg - dem ältesten Frauenkloster Europas - sind die handgefertigten Körbe immer noch im Einsatz. Und das nicht nur wegen ihrer enormen Langlebigkeit, sondern weil die Nonnen das Glück haben, dass Ivka Jelevic seit den 90er Jahren im Kloster lebt und dieses Handwerk meisterlich beherrscht. Für eine fünfköpfige Gruppe der Naturfreunde Salzburg machte Ivka ihren vermeintlich “letzten” Korbflechtkurs.
Unser Tag startet bei der Klosterpforte, zu der man über den Friedhof des Klosters gelangt. Auf dem Weg dorthin rätseln wir Teilnehmer:innen, was uns erwartet und welche Art von Korb wir überhaupt flechten werden. Ein kleines Obstkörbchen? Einen Korb für Brennholz? Oder gar einen großen Buckelkorb? Wir sind gespannt und aufgeregt, als uns Priorin Eva die alte Holzpforte öffnet.
Durch die Gänge des Klosters erreichen wir unseren Seminarraum. Eine weitere kleine Holztür geht langsam auf und wir staunen nicht schlecht: der Boden zu unseren Füßen ist voll bedeckt mit unzähligen, sorgsam zusammen gebündelten Weidenruten. Mitten drin sitzt eine kleine, weißhaarige Frau, die bereits fleißig am Werken ist und die ersten Korbböden vorbereitet hat. “Ich bin Ivka”, begrüßt sie uns herzlich, “und Korbflechten ist keine Arbeit für Frauen, das ist viel zu hart!”, ergänzt sie gleich im zweiten Satz. Wir müssen schmunzeln, denn wenn eine 70-jährige Frau das schafft, können wir das alle Male!
Aller Anfang ist schwer
Ivka zeigt uns, welche Schritte als erstes notwendig sind, um mit einem Korb zu starten. Mit ihren flinken Händen hat sie schnell die ersten Handgriffe erledigt, viel zu schnell für uns. Sie lacht und meint, dass sie normalerweise keine Gruppen “unterrichtet”, weil das viel zu anstrengend für sie ist und es unmöglich sei, auf so viele Personen gleichzeitig zu schauen. Dennoch schaffen wir es gemeinsam, dass jeder mit seinem Korbboden startet. Dafür werden insgesamt acht kräftige Äste zu einem Kreuz zusammengesteckt und anschließend das sternförmige Grundgerüst angefertigt. Nach diesem Arbeitsschritt folgt das Flechten mit zwei Weidensträngen - jener Moment, wo wir verstanden haben, warum Ivka zu Beginn gemeint hat, dass Körbe flechten harte Arbeit ist! So locker und leicht, wie das bei unserer Lehrerin ausgesehen hat, ist es nämlich ganz und gar nicht. Im Gegenteil, wir müssen viel Fingerkraft aufwenden, um die Weiden zu biegen und fest zu verweben.
Dieter Bohlen und das Korbflechten
Schnell ist das Eis gebrochen und wir haben einen regen Austausch mit Ivka - zumindest wir Frauen, denn Männer können laut Ivka nicht “multitasken”, sprich Reden und Flechten gleichzeitig. Sie erzählt uns von ihrer Vergangenheit, als sie 1992 mit ihren Kindern im Krieg aus Bosnien geflüchtet ist, über ihre Ankunft in Salzburg, ihr Leben im Kloster und darüber, dass sie Dieter Bohlen liebt. Wir müssen lachen. Dieter Bohlen? “Ja, ich liebe Dieter Bohlen”, wiederholt Ivka, “er ist immer so ehrlich zu den Sängerinnen und Sängern. Wenn jemand nicht singen kann, dann sagt er das auch.” Als Nik aus unserer Gruppe seinen Korbboden noch einmal auftrennen muss, weil er viel zu instabil ist, verstehen wir, warum sie den Castingshow-Juror ins Herz geschlossen hat.
Ein Korb in 45 Minuten - nicht mit uns!
Während wir mit unseren Körben beschäftigt sind, erklärt uns Ivka, dass die Zweige von Kopfweiden aus dem ehemaligen Klostergarten im Nonntal stammen. Diese werden im November geschnitten und anschließend für mehrere Wochen getrocknet, bevor sie weiterverarbeitet werden können. Ivka hat bereits in ihrer alten Heimat Bosnien Körbe geflochten und verkauft. Da sich die Technik und Form von den Körben im Kloster jedoch unterschieden hat, lernte Ivka von Schwester Michaela das Korbflechten neu. Mit Stolz verrät sie, dass sie nur 45 Minuten pro Korb benötigt. Wir staunen, begutachten unsere Werke und stellen nach fast zwei Stunden Arbeit fest, dass wir gerade einmal den Boden fertig haben.
Nach der Mittagspause und einer exklusiven Führung durch Ivka’s wunderschönen Klostergarten, machen wir uns weiter an die Arbeit. Schließlich will jeder am Nachmittag mit seinem eigenen Korb nach Hause gehen. Motiviert schauen wir, wie uns unsere Lehrmeisterin die nächsten Schritte zeigt und unsere Körbe langsam Gestalt und Form annehmen. Ivka ist von unseren Fortschritten nicht so begeistert und meint “so viele schiefe Körbe habe ich noch nie gesehen!” Doch das hält uns nicht davon ab, unser Tagesziel zu erreichen.
Ein letzter komplizierter Arbeitsschritt ist noch der Abschluss des Korbs, sprich das Verspreizen der Ruten. Wir observieren, filmen und stehen beim Nachmachen dennoch an. Mit viel Geduld verhilft Ivka jedem zu einem professionellen Abschluss, schneidet und biegt die Weiden ein letztes Mal zurecht und überreicht jedem seinen fertigen Korb.
Ein gelungenes Ergebnis: Vom Obstkorb bis zum Hundekorb
Ein langer Tag geht zu Ende. Wir haben geschwitzt und wir spüren unsere wunden Finger vom vielen Biegen der Weiden. Aber das Wichtigste: Wir konnten heute ein altes Handwerk erlernen und hoffen, dass wir diese Tradition in Zukunft weiter erhalten können. Stolz machen wir noch ein gemeinsames Abschlussfoto: wir mit unseren Körben und in der Mitte Ivka, eine unglaublich bewundernswerte, starke Frau.
Doch nicht nur wir haben eine große Freude mit unseren neuen Meisterstücken, auch Ivka strahlt über das ganze Gesicht und verrät uns: “Ich hätte nie gedacht, dass aus euren schiefen und wackeligen Böden so schöne Körbe werden! Das war einer der schönsten Tage seit Langem.” Ein schöneres Lob hätten wir uns von unserer kritischen Lehrmeisterin nicht erträumen können.
Wen es jetzt interessiert, was aus unseren Körben geworden ist: sie sind auf vielfältigste Weise im Einsatz: als Obstkorb, Hunde- und Katzenkorb, im Garten und fürs Altpapier. Am Wissenstransfer müssen wir ehrlicher Weise noch arbeiten, aber wie heißt es so schön: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.
Text: Simone Binder